Auszug aus dem Manuskript „Bienenzucht“ von Bruder Columban Burgstaller aus dem Kloster Einsiedeln, Oktober 1947,
mit freundlicher Genehmigung der Verwaltung des Klosters Einsiedeln, 8840 Einsiedeln, Schweiz
3. Vom Schwärmen.
Die Fortpflanzung beim Bienenvolk im weiteren Sinne geschieht durch das Schwärmen, durch welches ein neues, zweites Volk entsteht.
Der Schwarm besteht zur Hauptsache aus Jungbienen. Schon die Halbflüggen sind vertreten. Von den 4-13 tägigen Bienen, .das sind jene, die zu Hause junge Larven füttern sollten, rückt fast alles aus, nämlich über 90%. Diese schonen also schon die Futtersaftdrüsen und Wachsdrüsen zugunsten des neuen Staates. Die Trachtbienen bleiben überwiegend dem alten Staat treu. Die alten Bienen sind dem Schwarm auch sehr nützlich,·aber es ist damit zu rechnen, dass von ihnen ein Teil später wieder in den Mutterstock zurückfliegt. Die larvenernährenden Jungbienen sind im Mutterstock bald wieder ersetzt. Die Königin hat in der letzten Zeit weniger Eier gelegt und mit dem Schwärmen tritt ja eine ganz grosse Pause ein im Brutgeschäft.
Es ist sicher, dass viele Bienen des Schwarmes zum erstenmal ausfliegen, wenn der Sehwarmrummel den Stock auf den Kopf stellt. Viele der Jungbienen sind absolut unorientiert. Sie können sich während des Sehwarmgetümmels nicht orientieren und könnten an sich niemals mehr in den Mutterstock zurückgelangen. Jetzt wissen wir auch, warum die Sehwarmbienen den Platz des Muttervolkes so leicht „vergessen“! Und wenn der Schwarm mehr aus jungen Bienen besteht, dann begreifen wir auch, warum er so gut bauen kann, und warum er gleich nach dem Bauen ganz ordentliche Ernten einbringen kann. Die jüngsten bauen und machen Armendienste und die ältern können gleich Felddienst machen. Darum soll jeder Schwarm nur auf reine Mittelwände gesetzt werden. Setzt man den Schwarm auf ausgebaute Waben, dann haben die jungen Bienen, also die Mehrzahl der Kolonie, nichts zu tun. Die Moral des Schwarmes ist von Anfang an geschädigt, indem man ihm die Ausübung seiner guten Eigenschaften unterbindet. Wenn man Bau und Vorräte gibt, dann kommen weder die jungen noch die alten Bienen ins richtige Geleise, und dies von Anfang an! Es geht nichts über den Schwarm, er liefert gefundene Werte für Bienen und Bienenzüchter.
4. Naturschwärme
Solche gibt es mannigfacher Art. Wir sprechen von einem Vor-, Nach-, Singer-, Jungfern- und Hungerschwarm. Die vier ersten sprechen für einen gewissen Kraftüberschuss des Volkes, während der letztgenannte unter der Flagge bitterster Not ins Weite segelt – kein gutes Zeugnis für den Besitzer und Betreuer des Standes.
Der Vorschwarm
Diesen Namen führt der erste normalerweise aus einem Volke abgehende· Schwarm. Er hat die alte Stockmutter, Alt und Jungbienen und auch Drohnen im Gefolge. Seine Ursache ist neben erblicher Veranlagung ein Kraftüberschuss und oft auch Platzmangel. Vor Abgang des Schwarmes hat die alte Königin als sorgliche Mutter die Zukunft des Volkes sicher gestellt, indem sie für königlichen Nachwuchs sorgte und eine kleine oder grössere Zahl von Weiselzellen bestiftete. Die Zahl derselben hängt ganz vom Volkscharakter ab; schwarmlustige Völker werden·20 und mehr Weiselzellen ansetzen, schwarmfaule etwa drei bis fünf. Ist eine oder ein Teil dieser Zellen verdeckelt, so zieht der Vorschwarm aus. Ist die Königin noch wohl erhalten, wird sie sich mit dem Schwarm irgendwo ansetzen. Ist sie aber aus irgend einem Grunde flugunfähig, fällt sie zu Boden, verkriecht sich, von einigen Getreuen, die sie gefunden beschirmt. In solchem Falle geht der Vorschwarm wieder zurück in sein Muttervolk und erscheint nach etwa 9 Tagen wieder als Schwarm mit einer Jungmutter.
Der Nachschwarm
Der Nachschwarm folgt dem Vorschwarm gewöhnlich am neunten Tage, weitere Nachschwärme folgen dann in kürzeren Zeitabschnitten von zwei bis drei Tagen. Nur wenn der Vorschwarm durch Wetterungunst am Auszuge verhindert war, kommt der erste Nachschwarm früher. Die Zahl der Nachschwärme ist keine bestimmte; schwarmlustige Völker geben vier bis fünf Nachschwärme, sie können sich zu Tode schwärmen. Das Aufstellen aller Nachschwärmchen als selbständige Völker lohnt sich nicht, denn solch ein Völklein kann sich nie aus eigener Kraft für den Winter versorgen.
Begleitet den Vorschwarm die Altmutter, so geht mit dem Nachschwarm eine, zumeist aber mehrere junge Königinnen ab. Es empfiehlt sich kleinere Nachschwärme, die sich um eine der vielen Königinnen einzeln abgesetzt haben, zu vereinigen, damit das Gewicht eines baufähigen Schwarmes erreicht wird. Durch Kühlstellen der vereinigten Nachschwärme gibt man denselben Gelegenheit, die Thronfolge zu regeln; die überzähligen Königinnen · liegen · am Morgen tot auf dem Boden des Schwarmkastens.
Der Singerschwarm
Dieser hat seinen Namen davon, weil es vor seinem Abgange im Volke lebhaft tütet und quackt. Hat nämlich der Vorschwarm seine Königin beim Auszug verloren, so kehrt er wieder ins Muttervolk zurück und erscheint dann mit der ersten geschlüpften Königin. Es ist gewissermassen ein Vorschwarm, aber mit unbefruchteter Königin; die Nachschwärme haben alle unbefruchtete Königinnen.
Der Jungfernschwarm
Er ist nicht etwas Alltägliches, kommt aber. bei sehr schwarmlustigen Völkern vor. Ein Jungfernschwarm ist das Kind eines Schwarmes. Fällt nämlich zur Sehwarmzeit aus einem starken Volke ein mächtiger Schwarm, so kann es vorkommen, dass dieser Schwarm im selben Jahre nochmals schwärmt, einen Jungfernschwarm abgibt. Ein solcher ist also immer nur ein Schwarm aus einem diesjährigen Schwarme. In der Volkszusammensetzung, daher auch in der Behandlung, ist er dem Vorschwarme gleichzuhalten.
Der Hungerschwarm
Der Hungerschwarm ist ein Ankläger seines Bienenvaters, wenn man ihn so nennen darf, Ist keine Zelle Honig mehr im Stocke, oder aber ist der ganze Wabenbau dem Mottenfrass anheimgefallen, so verlässt dieses Volk die ungastliche Stätte, es zieht aus und wird so, mit Unrecht, als Schwarm, als Hungerschwarm bezeichnet. So etwas darf auf einem gut gepflegten Stande nicht vorkommen. Der Bienenvater muss wissen, wie es um seine Völker steht, er muss wissen, welchem Volk der Hunger droht.
5. Der Kunstschwarm.
Der richtige Imker wird seine abgehenden Völker immer wieder ersetzen wollen. Hat er Schwärme, so macht sich das von selber, aber er muss· dann auch nehmen, was da kommt. Ueberhaupt sollte der Imker nicht auf Naturschwärme abstellen müssen, sondern darauf sehen, durch planmässige Zucht das Schwärmen auf seinem Stande möglichst zu unterdrücken. Der Kunstschwarm bietet ihm vollen Ersatz, er ist in mancher Beziehung dem Naturschwarm überlegen, wie er auch die sicherste Methode zur Verwertung von Rassenköniginnen ist.
Eine andere Form der Volksvermehrung ist der Ableger. Wie man Kunstschwärme und Ableger macht, siehe im praktischen Teil.
Ein Schwarm in einem Baum in Grenzach – beobachtet über das ganze Jahr von Ralf Dötsch, Grenzach